1951 die Idee
1957 1964 Bau der 700 km langen Ruta von
Asuncin bis Bolivien,
1991 Abschluss der Asphaltierung bis Mcal. Estigarribia.
(Folgendes aus dem Buch "Die Ruta Transchaco
wie sie entstand" von Gerhard Razlaff)
1953 Vern Buller, USA,
bietet sich selbst und 40 Tonnen Wegebaumaschinen an, um im Chaco Strassen zu bauen.

Wie kam es dazu?
Dr. Gerhard Dollinger,
deutscher Arzt im Chaco, schreibt folgende Geschichte ber Vern Buller im Buch "Das
Paradies in der grnen Hlle" (leicht gekrzt):
Als ich im Gran Chaco von Paraguay arbeitete,
erschien einmal in "Readers Digest" ein Artikel ber mich, den eine
Amerikanerin verfasst hatte.
 Wir hatten in unserem kleinen Buschkrankenhaus immer wieder
Engpsse mit unserer Versorgung. So fehlte es eines Tages an Narkosether. Operieren
sollten oder mussten wir aber trotzdem. Was tun? Viele Operationen kann man ja in
Lokalansthesie, also rtlicher Betubung, machen. Aber Eingriffe in der Bauchhhle
hatte ich daheim in Deutschland noch nie mit dieser Methode gemacht. Man glaubt, das gehe
nicht, weil der Patient, wenn er nicht schlft, die Drme herauspresst, so dass man
nicht operieren kann. Ich musste mir also etwas einfallen lassen, bis wieder einmal eine
Sendung ther kommt. So schlug ich einem Patienten, von dem ich wusste, dass er sehr
sangesfreudig war, vor, whrend der Operation zu singen. Er meinte: "Von mir aus
gerne." Ich suchte ein paar Lieder aus und verteilte die Rollen: Patient Tenor, ich
Bass, die OP-Schwester Sopran und meine Frau Alt. Ich spritzte die Bauchdecke ein, und als
ich schnitt, fingen wir alle vier an zu singen, bis ich zugenht hatte. Als ich
"fertig" sagte, meinte mein Patient, der die ganze Zeit lauthals mitgesungen
hatte, er habe berhaupt nichts gesprt.
Er machte dann so viel Propaganda fr diese
Methode, dass die meisten Patienten von da an auch "mit Gesang" operiert sein
wollten. Vor der Narkose hatten die meisten nmlich viel mehr Angst als vor der Operation
selber, denn wir operierten damals ja noch mit ther-Tropfnarkose, ohne
Sauerstoffapparat, ohne Lachgas, ohne Muskelrelaxantien, so dass es nach der Operation
immer frchterliche Gasbuche gab und wir alle Mhe hatten, die Darmttigkeit wieder
in Gang zu bringen.
Einmal sagte ein Patient vor der Operation zu mir:
"Ich kann aber nicht singen, oder nur sehr falsch. Nur Mundharmonika spielen kann
ich, darf ich das?" "Von mir aus gern." Und so sangen wir unser Repertoire
mit Mundharmonikabegleitung, das war wieder mal was Neues. Die Sache sprach sich
natrlich herum, und so hatte auch jene Amerikanerin davon gehrt. Ihr kam das ganze
unglaublich vor, und sie fragte mich, ob sie nicht einmal dabei sein und sich selbst davon
berzeugen drfe. Der Patient war einverstanden, so erlaubte ich es ihr. "Dass ein
Chirurg beim Operieren singen kann, auch seine OP-Schwester", meinte sie, "das
konnte ich mir ja noch vorstellen. Aber dass ein Patient singt, wenn sein Bauch offen ist
und man darin herummanipuliert, das konnte ich einfach nicht glauben."
So schrieb sie jenen Artikel, und auf diesen hin
bekam ich Hunderte von Zuschriften aus der ganzen Welt.
Eines Tages kommt ein Nordamerikaner in die
Sprechstunde und sagt (auf englisch natrlich): "Doktor, ich habe den Artikel in
"Readers Digest" gelesen, aber ich glaube kein Wort davon. So etwas kann
einfach gar nicht wahr sein."
"Nun, wenn Sie es nicht glauben", sagte
ich, "dann mssen Sie es eben bleiben lassen. Mir macht das nichts aus."
"O nein, so leicht kommen Sie mir nicht davon.
Ich habe zwei Leistenbrche und bin extra von Montana hergeflogen, um mich von Ihnen
operieren zu lassen. Mit Gesang bitte! Aber ich bin ein sehr vielbeschftigter Mann und
habe nicht viel Zeit. Bis zum Fdenziehen bleibe ich nicht hier, das kann daheim mein
Hausarzt machen."
Da es bis zum nchsten Operationstag noch zwei Tage
waren wir operierten ausser in Notfllen nur zweimal in der Woche hatte er
ein wenig Zeit, sich in der Kolonie umzusehen. Er stellte fest, wie unendlich schwer es
die mennonitischen Siedler hier hatten, sich in dieser weg- und wasserlosen Halbwste zu
behaupten. Unsere Strassen waren ja im Grunde genommen nichts als Schneisen, die man von
einem Dorf zum anderen in den Busch gehauen hatte, und in die 500 km entfernte Hauptstadt
Asuncin gab es berhaupt noch keine Strassenverbindung, so dass wir vllig autark
lebten.
Wir operierten Vern Buller, nachdem wir uns auf ein
paar Lieder geeinigt hatten, die er auf englisch und wir auf deutsch kannten. Wir sangen
also zweisprachig und vierstimmig. Als ich "finished" sagte, rief er aus:
"What? Really? I didnt feel a stitch! ..." (Was? Wirklich? Ich habe nicht
einen Stich gesprt. So sind Sie also wirklich kein Lgner, und es war der Mhe wert,
von Montana bis in Ihr kleines Buschhospital zu reisen.)
Beim Abschied sagte er: "Sie hren noch von
mir."
Es vergingen Monate, von Vern Buller hrten wir
nichts. Bis eines Tages die Nachricht kam, Vern Buller sei auf dem Weg zu uns und bringe
seine smtlichen Strassenbaumaschinen mit, um hier zwei Jahre zu bleiben und Strassen zu
bauen.
Er kam und erzhlte mir folgende unglaubliche
Geschichte:
"Ich bin Farmer und habe zwei Farmen, eine im
Norden der USA und eine im ussersten Sden, jede 1000 Acres (500 ha) gross. Im
Frhling fliege ich in den Sden und bestelle dort meine Felder, dann fliege ich in den
Norden, wo der Frhling vier Wochen spter beginnt und bestelle dort meine Farm. Im
Sommer, wo alles von alleine wchst und nichts fr mich zu tun ist, bin ich
Strassenbauunternehmer. Zur Erntezeit mache ich es wieder so, zuerst die Farm im Sden,
dann die im Norden. Im Winter baue ich dann im Sden Strassen, da es ja im Norden zu kalt
ist. Als ich mich nun bei ihnen ein bisschen umgesehen hatte, dachte ich bei mir: Diese
Siedler knnen ja nie im Leben auf einen grnen Zweig kommen, solange sie keine Strassen
und keinen Anschluss an die Welt bekommen. Warum fhrst du nicht hin und baust ihnen
Strassen? Zuerst versuchte ich, eine Regierungsstelle zu finden, die dieses Unternehmen
finanzieren wollte, Entwicklungshilfe oder so. Aber alle meine Versuche schlugen fehl.
Niemand wollte es finanzieren. Da dachte ich: Dieser deutsche Doktor da unten hat seine
Heimat und alles im Stich gelassen und ist auf eigene Faust, ohne von daheim bezahlt zu
werden, in den Busch gegangen. Du hast bis jetzt nur fr dich selber gearbeitet. Wenn
dich also keiner schicken will, dann geh auf eigene Rechnung, leisten kannst du dirs
ja. So habe ich denn meine beiden Farmen auf zwei Jahre verpachtet, meine
Strassenbaumaschinen aufs Schiff verladen und bin mit meiner Frau und den drei Kindern
hergeflogen. Die Kinder sollen hier in die Schule gehen, es schadet nichts, wenn sie auch
Deutsch lernen."
Als die zwei Jahre um waren, hatte er ein paar
hundert Kilometer Strasse gebaut. Er schenkte der Kolonie seine ganze Maschinerie, da sich
der Transport zurck in die USA nicht lohnte. Ich bekam seinen Jeep. Das war mein erstes
Auto (ich war 38 Jahre alt) und das zweite Auto im ganzen Chaco berhaupt. Natrlich
habe ich es nicht als mein Eigentum betrachtet, sondern als Dienstwagen frs Krankenhaus.
Da es schon reichlich betagt war, sprang es nicht an, wenn man abfahren wollte, so dass
das Krankenhauspersonal immer anschieben musste. So sagte eine meiner Krankenschwestern
einmal: "Ach, jetzt ist mir klar, warum man dieses Auto "Schieb" (Jeep)
nennt: Weil man es immer anschieben muss!"
Weitere Bcher von Dr. Gerhard Dollinger:
- "Briefe aus dem Busch 1951 1953"
- "Weitere Briefe aus dem Busch 1954 1963"
... und viele mehr
Dollinger war nebst dem Chaco auch in Syrien und in
Afrika als Arzt ttig. |
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Der letzte Kampf mit den
wilden Ayoreo der Totobiegosode
1986/87 Die beiden Ayoreo-Gruppen, die Guidaigosode
und die Totobiegosode waren zu allen Zeiten sehr stark verfeindet. Die letzteren
sagten: "Die Totobiegosode sind zu nichts ntze und taugen nur zum Sterben!"
Sie tteten ihre Feinde, wo sie sie trafen. Das Evangelium bewirkte bei den Guidaigosode
eine totale nderung in ihrer Einstellung jenen gegenber, und sie wollten den
Totobiegosode die neue Lehre bringen. Krieg und Morden hatten sie berwunden.
Ein freundschaftlicher Kontakt mit einigen
aus der Gruppe der Totobiegosode wurde 1979 gemacht, und es entschieden sich einige von
ihnen fr Christus, also fr die Siedlung auf Campo Loro. Seit dieser Zeit hat
man grosse Anstrengungen gemacht, auch den restlichen Teil der Totobiegosode zu finden. Am
23. Dezember 1976 nun entdeckte ein Pilot auf einem Flug in den Norden des Chaco etwas,
was wie eine Ayoreosiedlung aussah. Daraufhin wurde ein Suchflug arrangiert. Tatschlich
entdeckte man ein Ayoreohaus mit 11 Gartenfeldern. Mais und Krbis waren angepflanzt und
die Erde erst vor kurzem umgegraben worden. Menschen sah man keine.
Nachdem das Flugzeug nach Campo Loro
zurckgekehrt war, fingen die Ayoreos sofort an, ber die nchsten Schritte
nachzudenken. Sie entschlossen sich schnell zu handeln. Sie baten die Missionare, sie
mglichst nahe an das Dorf zu fahren.
Am 27. Dezember liessen sich 34 Mnner auf
drei Camionetas etwa 86 km nordwestlich von Campo Loro in den Busch fahren, von wo sie zu
Fuss aufbrachen. In dieser Gruppe befanden sich zwei Totobiegosode, die 1979 zur Station
kamen. Viele der Guidaigosode hatten frher in kriegerische Auseinandersetzungen
Mitglieder jener Gruppe gettet.
Am Abend des 29. Dezember merkten die
Mnner, dass sie in der Nhe des Dorfes waren. Da sie jedoch nicht im Dunkeln
auskundschaften wollten, warteten sie bis zum nchsten Morgen und unternahmen etwas gegen
7:00 Uhr ihren Annherungsversuch. Sie wussten, dass zu so frher Stunde die meisten
Totobiegosode noch nicht auf der tglichen Suche nach Nahrung sein wrden.
Eine Ayoreo-Frau sah die Mnner und rannte
zurck ins Dorf und schrie: "Die Feinde kommen, die Feinde kommen!" Mit ihren
Waffen in der Hand erwarteten die Totobiegosode ihre Feinde.
Acht Mnner der Guidaigosode nherten sich
dem Dorfe mit dem Rufe, dass sie in Frieden kmen: "Aiequese yoque e! Aiequese yoque
e!" Nach diesen Zurufen dachten die Mnner, dass sie jetzt das Dorf betreten
knnten.
Das Dorf war auf Krieg vorbereitet worden und
wegen der schrecklichen Angst vor Huptling Vejai und seiner Gruppe, immer im
Alarmzustand. Ein Buschwall umzog das ganze Dorf, und es gab nur ein paar kleine
Eingnge. Die Erde um die Eingnge war aufgegraben, weich und uneben und sollte den
Angreifern den Nahkampf erschweren. Wer auf diesem Boden hinfiel, konnte leicht mit dem
Speer gettet werden. Nach dem Suchflug hatten die Totobiegosode, die das Flugzeug
gesehen hatten, sogleich mit den letzten Kriegsvorbereitungen begonnen.
Die Guidaigosode riefen den Dorfbewohnern
immer wieder zu, dass sie in Frieden kmen und hoben ihre unbewaffneten Hnde als Beweis
in die Hhe. Sie dachten, jetzt sei der Moment gekommen, um in das Dorf einzudringen.
Einer packte einen Totobiegosode und zwang ihn, seine Waffen niederzulegen. (Nach ihren
Kriegssitten gehrt der, der die Waffen niederlegen muss, zu seinen Bezwingern.) Aber als
der "Angreifer" seinen "Ergriffenen" frei liess, um einen anderen zu
ergreifen, hob der "Besiegte" seinen Speer auf und durchbohrte damit einen
"Angreifer". Jetzt begann ein Massaker. Die "Angreifer" versuchten die
Totobiegosode zu beschwichtigen, damit das Tten ein Ende habe. Aber sie wurden mit
Speeren und Keulen gettet. In wenigen Minuten wurden fnf Guidaigosode gettet und
vier weitere verwundet.
Dejabi erhielt fnf Schlge an den
Kopf. Ein Schlag durchlcherte seine rechte Wange. Weil er sich vor den Schlgen
schtzen wollte, wurden auch seine Arme und Hnde schwer verletzt. Mindestens sieben
Knochen waren gebrochen, im linken Arm allein waren es vier Brche. Die beiden letzten
Finger seiner rechten Hand hingen nur noch an einem Hautlappen. Auch sein linkes Bein war
verletzt. Trotzdem gelang es ihm noch, einem Speer auszuweichen, der sein Leben htte
beenden knnen. Er fiel zu Boden, und seine Angreifer dachten, er sei tot, aber er war
nur bewusstlos. Als er wieder zu sich kam rief er seinen Gefhrten zu: "Ttet sie
nicht! Ttet sie nicht!" Es gelang ihm, sich vom Dorf zu entfernen, obwohl er
mehrmals dabei das Bewusstsein verlor. Dann schleppten ihn schliesslich zwei seiner
Gefhrten in Sicherheit.
Als Cadui erkannte, was geschah,
versuchte er zu entkommen. Er rutschte aber auf dem weichen Boden aus und wurde sofort von
einer Lanze an der rechten Kopfseite getroffen. Aber sein Gehirn wurde dabei nicht
verletzt. Er konnte sich so weit vom Dorf entfernen, dass er vor den Angriffen sicher war.
Er wurde fr eine Weile bewusstlos. Als er wieder zu sich kam, zog er den Speer aus
seinem Kopf heraus und bat Gott um die ntige Kraft, zum Dorf zurckkehren zu knnen. Cadui
hielt den Speer, den er sich aus dem Kopf gezogen hatte, hoch und rief seinen Angreifern
zu: "Seht das Blut, das ber mein Gesicht fliesst! Seht den Speer in meiner Hand!
Ich werde ihn nicht benutzen, um einen von euch zu tten! Hrt auf, uns zu tten!"
Mit dieser Heldentat hatte das Tten endlich ein Ende.
Nach mehreren Stunden des Hin- und Herrufens
begannen die Totobiegosode den anderen zu glauben, dass sie nicht gekommen seien, um zu
tten, sondern um Frieden zu stiften. Ein freundliches Zusammentreffen folgte. Ein
grosser Teil des Tages wurde dazu verwandt, die Totobiegosode davon zu berzeugen, dass
die Missionare sich nicht fr das Tten der fnf Freunde rchen wrden.
Es waren 24 Mnner, Frauen und Kinder, mit
denen Kontakt aufgenommen werden konnte. Einige liefen aus Angst davon, doch konnten auch
diese Flchtenden zurckgeholt werden. Die Aufregung legte sich und alle schliefen im
Dorf. Die Verwundeten wurden so gut es ging versorgt. Die Totobiegosode gaben ihren neuen
Freunden Wasser und aus ihren Grten zu essen. Am nchsten Morgen machten sich vier
Mnner auf, um medizinische Hilfe zu holen. Und bald kam auch die Nachricht ber das
Geschehene nach Campo Loro. Hier warteten die Ayoreos darauf zu erfahren, ob die Toten
oder Verwundeten ihre Mnner, Vter oder Brder seien. Als sie die Nachricht erhalten
hatten, zogen sie sich, viele von ihnen ehemalige Krieger, weinend zurck ins Dorf.
Inzwischen waren die briggebliebenen
Guidaigosode und die aufgesuchten Totobiegosode unterwegs nach Campo Loro, teils mit
Traktor, teils mit dem Flugzeug. Der verwundete Dejabi bestand darauf, zuerst
nach Campo Loro gebracht zu werden, um seinen Leuten zu sagen, dass sie nicht bse auf
die Totobiegosode sein sollten, sondern sie in Liebe zu empfangen. Ausserdem wollte er am
nchsten Morgen am Gottesdienst teilnehmen, um zu berichten, wie Gott ihm und den anderen
geholfen habe. Erst dann wre er bereit, ins Krankenhaus zu gehen.
Am Sonntag, den 4. Januar 1987 kamen alle auf
Campo Loro an. Fr die Totobiegosode begann nun ein neues Leben, wobei die bereits hier
ansssigen Guidaigosode ihnen halfen, hier Fuss zu fassen. Eine Gruppe von Totobiegosode
ist noch im Busch. Fr wie lange noch?
Am Gottesdienst nach der Rckkehr hielten
alle vier Verwundeten Ayoreos eine kleine Rede. Zuerst sprach Cadui,
er hatte eine gefhrliche Verletzung durch einen Speer erhalten und sehr viel Blut
verloren.
"Bitte hrt, was ich zu sagen habe.
Mein Herz ist voller Dankbarkeit zu Gott, dass Sein Plan fr mich noch nicht zu Ende ist.
Wir wissen und vertrauen darauf, dass Gott es war, der unser Leben bewahrt hat. Als wir
uns den Totobiegosode nherten, wurde beschlossen, das ich als erster in ihr Lager
eintreten sollte. Danach ist viel geschehen. Fnf unserer Mnner sind tot. Als ich sah,
dass sie auch mich tten wollten, versuchte ich aus dem Lager zu fliehen. Ich stolperte
und einer warf seinen Speer in meinen Kopf. Er dachte ich sei tot, aber ich hatte nur die
Besinnung verloren. Die Totobiegosode begannen, die getteten Mnner zu zhlen, und sie
zhlten auch mich dazu. Sie grlten und lachten ber das was sie gerade getan hatten.
Spter waren sie berrascht, als ich als berlebender zu ihnen kam. Ich entschloss
mich, noch einmal zu den Totobiegosode zurckzukehren, und wenn ich gettet wrde, dann
sollte es eben so sein.
Ich stand zwischen unseren Mnnern und
den Totobiegosode und rief ihrem Fhrer Ducubai-a zu, doch seinen Mnnern zu sagen, dass
sie mit dem Tten aufhren sollten. Wir seien in Frieden gekommen. Ich werde unter
meinen Leuten respektiert, und man hrt auf mich. Ich habe meinen Leuten gesagt, dass sie
nicht tten sollten.
Danach fragte ich sie, ob wir Wasser
haben knnten, denn wir waren durstig. Die Totobiegosode schauten sich eine Weile an und
brachten dann endlich Wasser herber. Dann, nach einigen Hin- und Herrufen war alles
vorber. Ich bin so dankbar, die Totobiegosode erreicht zu haben. Und am Ende waren auch
sie froh, dass wir sie gefunden hatten."
Dann sprach Cojnane.
Ein Speer hatte seinen Brustkorb von hinten bis an den Hals durchbohrt.
"Ihr wisst alle ber die Dinge
Bescheid, die mir widerfahren sind. Ich habe heute nicht viel zu sagen, denn ich bin sehr
schwach. Seht meine Wunden, sie bereiten mir viel Schmerzen, so dass ich noch nicht einmal
um meine engsten Verwandten weinen kann, die gettet wurden.
Deshalb will ich nur ein paar Worte
sagen. Es wre nicht richtig, wenn ich mein fehlerhaftes Verhalten an dieser Stelle
unterschlagen wrde.
Als ich von einem Speer getroffen wurde,
regte sich in mir das Gefhl, auf meinen Angreifer einzuschlagen. Das aber ist eine sehr
schlechte Eigenschaft. Ein junger Mann traf mich mit dem Speer, der mich vom Rcken bis
zum Hals durchbohrte. Ich fiel auf den Boden, so dass er annahm, ich sei tot. Nach einer
Weile allerdings stand ich auf und versuchte zu entfliehen. Es schien, dass ich nur mit
einem Auge richtig sehen konnte. Ein weiterer Angreifer kam auf mich zu, aber ich begann,
eine Machete zu schwingen, um ihn abzuschrecken. Er lief weg und ich konnte mich in
Sicherheit bringen.
Dann begann ich, mich selbst zu schlagen,
denn die Machete zu schwingen, war eine hssliche Sache von mir."
Zuletzt sprach Dejabi.
Er war nur ein Bluthaufen, so haben ihn die Gegner zugerichtet.
"Ich sage euch Frauen, ich mchte
nicht schlecht ber die Totobiegosode reden. Ich mchte es wirklich nicht. Aber es war
sehr viel Arbeit, sie zurckzubringen. Wenn einer von euch Rache ben will, weil sie
einen Verwandten von ihm gettet haben, bringt diese Person zu mir.
Was Cadui schon sagte, sage auch ich: Wir
mchten nicht, dass auch nur einer von euch diese Menschen schlecht behandelt. Schon bei
unserem letzten Zusammentreffen haben wir euch nicht erlaubt, dass jemand die
Totobiegosode misshandelt. Und genau so wenig werden wir es heute tun." Dann
schilderte er den Kampf aus seiner Sicht.
"Ich bin so dankbar, euch alle
wiederzusehen. In Wirklichkeit bin ich ja gesund, denn sie verwundeten nur meinen Krper.
Dies sind meine mahnenden Worte an euch, die Totobiegosode gut aufzunehmen. Alle, die ihr
mit meiner Rede einverstanden seid, hebt jetzt bitte eure Hnde zum Zeichen, dass ihr
euch dazu bekennt."
Die neuen Totobiegosode in Campo Loro hatten
grosse Probleme, sich gegen die neuen Krankheitserreger zu wehren. Der Huptling Ojoide
und andere starb bald an der Grippe.
Die verwundeten Guidaigosode hingegen,
genasen bald von ihren Verletzungen, die rzte des Krankenhauses staunten.
Die Weltffentlichkeit wurde ber den
Vorfall im Chaco so unterrichte:
Aus London kam ein ANSA-Bericht in die
Weltpresse: "Die Missionare der New-Tribes-Mission jagen die letzten
berlebenden der Totobiegosode. Sie suchen sie zuerst mit dem Flugzeug, und dann mssen
die zahmen Indianer sie gefangennehmen."
"Survival International", eine
Organisation in England meldete: "Das Morden unter den Ayoreos im Chaco gehe
weiter. Einer aus der Sippe der Totobiegosode sei zu seinem Stamm zurckgekehrt und nun
von seinen eigenen Stammesleuten erschlagen worden."
Untersuchungskommission:
Die ganze Sache schlug so hohe Wellen, dass
eine Kommission zur Untersuchung des Vorfalls eingesetzt wurde. Zur Kommission gehrte:
Oleg Vyzokoln, Anthropologe (Mitglied der Asociacin Indgenista del Paraguay, er
bezeichnete den Vorgang als Menschenjagd), Pater Jos Sanardini (von der katholischen
Ayoreo-Mission, eine Konkurenz zur New-Tribes-Mission, er meinte, es sei nicht richtig,
die Indianer im Busch aufzusuchen. Man msse ihnen das Recht lassen, die Lebensform nach
ihrem Willen zu whlen.), Bruno Barraz, ein Chamacoco und Wilmar Stahl von der IBB.
Im 37seitigen Bericht kommen auch die Ayoreos
beider Stmme zu Wort. Sie berichten jeweils von ihrer Seite aus, wie sie die
Vorgeschichte und das Zusammentreffen im Busch erlebt haben, wie sie nun nachtrglich die
Situation und wie sie selbst ihre Zukunft sehen. Es wird auch die New-Tribes-Mission auf
Organisation, Arbeitsweise und doktrinre Orientierung hin untersucht.
Da im Bericht eine Stellungnahme fehlte wurde
folgendes beschlossen: Erstens wurde eine neue Kommission von drei Rechtsanwlten
gebeten, die gesammelten Daten in Beziehung zum nationalen Gesetz zu bringen und ein
Gutachten darber abzugeben. Zweitens sollten alle vertretenen Organisationen in eigenen
Arbeitsgruppen den Bericht bewerten und eine Stellungnahme prsentieren. Man hofft, dass
man trotz verschiedener Interpretationen einander zuhrt und im Dialog bleibt, damit
zuknftige Krisensituationen gemeinsam angegangen werden.
Film, "Die Vershnung"
Am 11. November 1988 auf Campo Loro
versammelten sich die Ayoreos, um an der Premiere des Films "Die Vershnung"
beizuwohnen. Die Erwartungen waren bei allen recht hoch, denn die Ayoreo-Indianer waren
die Darsteller dieser verfilmten Missionsgeschichte. Da sitzen sie nun nebeneinander, die
Totobiegosode und die Guidaigosode -einst Todfeinde, jetzt vershnte Brger.
Jedoch fnf sind nicht dabei, und ihrem Andenken gilt der Abend ja, der Film
selbst: Umai, Checabiade, Pajei, Ajiacai und Uasade.
Der Film "Die Vershnung" wurde
von Uwe und Hedwig Stahl in Zusammenarbeit mit den Ayoreos hergestellt. Das Drehbuch war
von Wilmar Stahl und fr die technische Durchfhrung war "Cine Aesthetics" von
Vancouver, Kanada angeworben worden. In einiger Entfernung von Campo Loro wurde eine
Nachbildung des frheren Totobiegosode-Dorfes aufgebaut. Danach konnte mit der Einbung
der Szenen begonnen werden. Dabei stellte sich heraus, dass das Filmprojekt selbst Szene
eines weitergehenden Vershnungsprozesses wurde. Der Film bot eine Gelegenheit, die
ursprngliche Ayoreo-Kultur von denen darstellen zu lassen, die sich noch vor nur einem
Jahr in dieser Lebensweise bewegt hatten. Von vielen Ayoreo-Christen wurde dieser Plan
anfnglich kritisiert; die traditionelle Lebensweise gehrte nach ihrem Verstndnis zu
einer dunklen Vergangenheit, die man bewusst vergessen wollte. Das Filmprojekt dagegen
forderte auf, es als Stammesgeschichte anzuerkennen, es aufzuarbeiten und es fr die
kommenden Generationen aufzubewahren. Fr die Totobiegosode war es schon erstaunlich,
feststellen zu drfen, dass sich ihre neue Umwelt fr ihre kulturelle Vergangenheit
interessierte. Zuletzt gewannen die Darstellungen auch die Anerkennung der Guidaigosode,
die nun einerseits immer begeisterter von der Umweltbewltigung ihrer Vorfahren sprachen,
andererseits aber auch recht dankbar auf die nderungen in ihren religisen Auffassungen
hinwiesen.
Einen weiteren
"Vershnungsbeitrag" lieferte das Filmprojekt dadurch, dass sich die beiden
Seiten fr die Darstellung ber die Einzelheiten einigen mussten. Da gab es noch manch
eine Unstimmigkeit auszubgeln. Hatten die Totobiegosode zum Beispiel wirklich als
Zeichen des Friedens die Waffen niedergelegt, um sie dann doch wieder zu ergreifen und
berraschend zuzuschlagen? Das htte sie nach allgemeinem Ayoreo-Recht zu Verrtern
gemacht, und gerade das war von vielen Guidaigosode behauptet worden. Whrend der
Filmarbeit stellte sich dann aber heraus, dass das bei der Gruppe jngerer Krieger nicht
der Fall gewesen war, was sie nach eigenem Recht dann auch zu dem berraschungsschlag
berechtigt hatte.
(Quelle: "Religion" Colegio
Filadelfia von Werner Drksen, "Die Ayoreos unsere Nachbarn" von David.
D. Hein, "Frau Braun, die Lange, die brigblieb" von Abraham Lwen und
Heinrich Derksen) |
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Ayoreo im Kriegsschmuck. (Foto: aus
Die Ayoreos - unsere Nachbarn von David Hein)

Vejai, der oberste Huptling der
Guidaigosode, dessen Sohn der Mrder von Missionar Kornelius Isaak war. (Foto:
aus Die Ayoreos - unsere Nachbarn von David Hein)

Totobiegosode im Kriegsschmuck: danebeb Mateo,
aus der Gruppe der Guidaigosode, der sich ein ziemlich gutes Spanisch angeeignet hat und
als Uebersetzer dient. (Foto: aus Die Ayoreos - unsere Nachbarn von David Hein)

Der schwer verwundete Dejabi und sein
ehemaliger Gegner Po'ai (Pojai). (Foto: aus Die Ayoreos -
unsere Nachbarn von David Hein)
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