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Ausflug nach Santa Cruz (Bolivien)

(Ricardo, Rosaleda, den 1.9.2000)

Einige Tage vor Antritt der Reise kaufen wir die Busbillette in Neuland. Im Supermercado Siemens gibt es die Mglichkeit, Busfahrten zu buchen. Wchentlich fahren mehrere Busse von Asuncin nach Santa Cruz. Zweimal fhrt Stel-Turismo mit bequemen Liegesitzen nach Bolivien. Wir mchten diesen Komfort nutzen, denn von Rosaleda bis Santa Cruz dauert die Fahrt immerhin rund 20 Stunden. Wir knnen einen guten Preis aushandeln und kaufen auch gleich die Tickets fr die Rckreise, das sei billiger. Das ist auch tatschlich so, denn ein Mitreisender zahlte von Santa Cruz nach Asuncin 70 US-Dollar, whrend wir nur 42 zu berappen hatten.

In der Nacht von Sonntag auf den Montag fhrt uns Maleika zur Polizeistation auf der Picada Quiniento (Ruta 500), die zwei Kilometer von Rosaleda und fnf Kilometer von unserem Hof entfernt liegt. Maleika ist die Tochter von Inge und Theo – mehr bekannt unter der Bezeichnung "Hamburger" – die in Mariscal Estigarribia die Pension "Maleika" fhren. Sie wird in unserer Abwesenheit unsere "verhtschelten" Tiere betreuen.

Praktisch fr uns ist es, dass die Busse nach Bolivien nicht mehr wie frher ber Mariscal, sondern ber die Quiniento fahren; diese Strasse ist offensichtlich besser befahrbar. So knnen wir praktisch vor unserer Haustre ein- und aussteigen.

Aufgrund der Abfahrtszeit in Asuncin msste der Bus um 3 Uhr nachts hier vorbeifahren. Pnktlich um 4 Uhr 15 kommt er. Am Polizeiposten muss er sowieso anhalten, sodass wir problemlos zusteigen knnen. Unsere Sitzpltze sind bereits besetzt. Aber der Busbegleiter schafft uns kurzerhand irgendwelche Pltze frei. Unsere Taschen knnen wir nirgends verstauen; so lassen wir sie im Mittelgang stehen und fgen uns harmonisch in die bereits schlafende Gesellschaft ein. Ich rcke einen indianischen Hintern etwas beiseite, so dass es auch Platz fr meine mden Glieder hat. Wie fast alle Strassen im Chaco fhrt auch diese immer geradeaus. Und wie fast alle Strassen ist auch diese nicht geteert oder geschottert sondern mit Lchern und Furchen berst. Nach etwa zwei Stunden gibt es einen Halt. Pissen ist angesagt, die Mnner am Strassenrand, die Frauen im Busch.

Nach zwei Polizei- und zwei Militrkontrollen sind wir irgendwann auf bolivianischem Boden. Der Chaco geht langsam in ein hgeliges Gelnde ber. Die Vegetation ist noch fast dieselbe. Nur die Strasse wechselt von Sand- in eine Schotterpiste. Sie ist aber genauso holprig und staubig.

Wir kommen nach Villa Montes, dem ersten Stdtchen auf bolivianischer Seite. Von da an gibt es Asphalt. Aber nicht zu frh gefreut. Das Vergngen dauert nicht allzulange. Bald sind wir wieder auf der gewohnten Rttelpiste. In Villa Montes hat ein anderer die Pause dazu benutzt, meinen Platz einzunehmen, es sei seiner. Der Busbegleiter beruhigt mich indem er behauptet, es habe gengend Platz an Bord. Einer geht zum Buspersonal nach vorne um zu Schwatzen. So erhalte ich seinen Platz neben dem Eingang. Die Tre nach vorne ist offen und in dieser Position mit einem Seil fixiert. Das heisst fr mich, dass die Tre genau zwischen meine Beine zu liegen (oder sagt man hier "stehen") kommt. Ein Bein muss ich auf die hintere Seite der Tre zwngen und das andere bleibt im Durchgang liegen, so dass jeder darber stolpern muss. Mit dieser Beinstellung lehne ich mich gensslich in die Horizontale.

In Camiri wechselt dann der Fahrer und damit auch der Fahrstil. Wie ich dann spter in Santa Cruz feststellen kann, entspricht dieser Fahrstil eher dem der Bolivianer. Die Bremsen werden massiv geschont und dafr die Hupe energisch eingesetzt. Dies erlaubt auch eine schnellere Fahrweise, da man nicht immer unntig abbremsen muss. Nur die anderen Verkehrsteilnehmer haben sich ein bisschen anzupassen: Khe, Gauchos, Esel, Hunde, Schweine und Hhner haben fluchtartig die Strasse zu verlassen, die haben da auch nichts verloren. Auch entgegenkommende PWs haben sich in den Strassengraben zu verdrcken. Nach einigen Bachdurchquerungen geht‘s wieder volle Fahrt voraus und Holperdi-holper. Jetzt ist der geeignete Zeitpunkt, um das Essen zu servieren. Fast vergeblich versuche ich mit dem Reis und dem Hhnchen meinen Mund zu treffen. Irgendwann gebe ich auf. Das kulinarische Niveau berechtigt auch, das Essen ohne schlechtes Gewissen einzustellen.

Wir kommen zgig voran und erreichen bereits um 23 Uhr das Ziel Santa Cruz. Wir nehmen uns ein Taxi und fahren zum Hotel Leyla. Es wurde und als preiswert empfohlen. Bald legen wir uns ins Bett, mssen aber feststellen, dass die Bussitze (auch mit Tre zwischen den Beinen) bequemer waren. Hngemattenliebhaber htten aber die Betten geliebt.

Wir sind frh auf, denn geschlafen haben wir genug und bei diesen Betten sind wir froh, aufstehen zu drfen. Wir warten bis das Frhstck ("?") gegen acht Uhr aufgetischt wird. Es gibt Brot und ganz wenig Butter – sie ist nicht ranzig, denn normalerweise sei sie ranzig wurde uns spter erzhlt – und keine Marmelade, dafr ein Spiegelei und Kaffee.

Dann geht’s auf in die City. Santa Cruz gilt – laut Bolivien-Guide - als die heimliche Hauptstadt. Wir sind berrascht, wie gepflegt und liebevoll sich die Stadt prsentiert, mit Holzsulen und Laubengngen im Kolonialstil. Auch die meisten Leute machen einen gepflegten Eindruck und sind klassisch oder modern gekleidet. Uns erinnert Santa Cruz stark an Sevilla in Spanien. Wir erleben die Bolivianer als nett, kommunikationsfreudig und hilfsbereit. Wir werden gar nicht als Gringos behandelt.

Wir besuchen die Feria Barrio Lindo, ein riesiger Markt, der Mittwochs, Freitags und Samstags offen ist. Unter einem Dach mit einer Seitenlnge von ca. 500 Metern drngen sich hunderte von Verkaufsstnden oder –nischen in zig Gassen und Querstrassen. Da reiht sich Jeans-Stand an Jeans-Stand, Turnschuh-Stand an Turnschuh-Stand und wieder Jeans-Stand an Jeans-Stand. Wer die alle kaufen soll weiss ich nicht. Dann endlich ein Stand mit Unterwsche, mit Schuhbndeln, mit Haushaltgerten mit Werkzeugen, mit Babysachen und und und. Wie lange braucht man wohl, um in ntzlicher Frist einkaufen zu knnen, die Sachen zu finden, die man will? Aber um das geht es hier auch nicht. In diesem Markt wird gelebt und der Markt wird erlebt. Diese Art einzukaufen darf von keinem Supermercado rationalisiert werden. In Santa Cruz gibt es noch weitere Mrkte, aber das Prinzip und das Angebot bleiben dasselbe – mindestens aus unserem Blickwinkel betrachtet.

In der Stadt treffen wir auch viele Mennoniten, alle Mnner in Latzhosen und mit breitrandigem Strohhut in Stetson-Form wie J.A. (Dallas). Zwei Meter hintenan die jeweilige Frau in mittelalterlicher Kostmierung. Dann ein anderes Szenario: In einer Gasse wird ein ca. 14-jhriger Junge an den Hnden abgeschleppt. Sein lebloser Krper wird wie ein Stck Schlachtvieh ber den Asphalt gezogen. Hinterher eine Menge Schaulustiger jeglichen Alters. Der Taxifahrer, mit dem wir gerade unterwegs sind, meint: "Ein Drogentoter, das mache nichts". Wir sind schockiert.

Wir fahren in ein 15 Kilometer entferntes Stdtchen, natrlich hat es auch dort einen Markt. Unterwegs fahren wir an vielen schnen Gartenanlagen vorbei. Das sei das Erholungsgebiet der Stadtbewohner am Wochenende, wird uns erklrt. Wir besuchen auch eine Finca mit Rindern und Feldern. Die Pferde und das Vieh das wir in unserer kleinen Bolivienreise antreffen sind allesamt mager, struppig und verwurmt. Von Rinderzucht und –mast scheint man hier nicht sehr viel zu verstehen und Wurmkuren kennen man wohl kaum oder sie sind zu teuer.

Kulinarisch gesehen ist Santa Cruz und Umgebung ein absoluter Tiefflieger, ein Jammertal. Natrlich sind unsere paar konsumierten Hppchen statistisch gesehen nicht reprsentativ, aber ich mchte meine Taxierung hier trotzdem kundtun: Boliviens Gastronomie ist nebst einem Volltreffer von Lasagne im "Mercado Barrio Lindo" zwischen lieblos und krass ungeniessbar einzustufen. Einmal essen wir Fleischspiess mit Pommes. Meine Frau benutzt oft den Spruch: "Mit diesem Fleisch knne man die Schuhe sohlen und nach Rom pilgern." Dieser Vergleich trifft hier hundertprozentig zu. Die Fritten sind kalt und schlaff und zudem aus Ssskartoffeln gemacht. Zu Trinken gibt es das Nationalgetrnk "Chicha" oder gar nichts. Ich nehme Chicha, meine Frau die andere Variante. Chicha ist ein blass-milchig-weisses Gebru aus einem Fruchtsaft und schmeckt etwas sehr gewhnungsbedrftig, Ich jedenfalls komme nicht als Chicha-Fan aus Bolivien zurck. Wie mir spter jemand erklrt, sei das Getrnk "speichel-gegrt"; na dann prost! Alkohol wird ffentlich sehr wenig getrunken und angeboten. An einem Stand ist ein Schild mit der Anschrift "Chicha-Bier" angebracht. Ich, halb ausgedrrt, sehe nur das Wort "Bier" und bestellte sofort eines. Aber was bekomme ich? Natrlich ein Chicha. Mit Todesverachtung kippe ich die undefinierbare Brhe hinunter; ich bin noch kein Bolivianer.

In der kurzen Zeit haben wir viel gesehen und treten am Mittwoch um 19 Uhr die Rckreise an. Diesmal haben wir unsere Sitzpltze auf sicher, da wir vom Start weg dabei sind. Das muss zwar nicht unbedingt heissen, dass das die ganze Reise so sein muss. Ein Deutscher, der sich seit fast einem Jahr auf Sdamerikareise befindet, muss nach der Rast in Villa Montes feststellen, dass sein Platz besetzt ist. Sie ist hier zugestiegen und behauptet stur, dass "ihr" Platz 6 sehrwohl "sein" Platz 8 sei. Irgendwie wird Platz geschaffen. Die hbsche Zusteigerin ist sehr gesprchig und begibt sich bald da und dort auf einen Schwatz zu Leuten und setzt sich ungeniert auf deren Gepck. Nebst einem sprden Mennoniten-Ehepaar reist auch ein gesprchiger und lachfreudiger Mennoniten-Junggeselle lteren Semesters mit. Er bewegt sich virtuos zwischen den Sitzreihen und plaudert mal da und mal dort. Aber am besten gefllt es ihm dann in der hintersten Sitzreihe, eingeklemmt zwischen hbschen Einheimischen. Neben mir auf der anderen Gangseite sitzt eine Indianerin mittleren Alters. Sie kommt aus La Paz und will ihre Verwandten in Asuncin besuchen. Sie ist gepflegt und trgt traditionelle Kleider in bewusst abgestimmten dezenten Farben. Sie macht auf mich den Eindruck einer gebildeten Person aus reicheren Verhltnissen. Ich kann mich dann aber doch nicht entschliessen, sie zu fragen, womit sie ihr Geld verdiene.

Im Bus werden zwei Mahlzeiten serviert. Die bestehen aus einem Plastikset mit verschiedenen Hppchen in den Abteilungen, wie im Flugzeug, einfach nur kalt und schlapp. Die erste Mahlzeit erhalten wir gleich am Start, und da der Bus erst mit dreiviertelstunden Versptung abfhrt, kann man diesmal rttelfrei dinieren. Wir sparen uns dieses Essen, das mit einer Klarsichtfolie gut abgedichtet ist auf, denn wir haben uns kurz vor Abreise die einzigen essbaren Fritten besorgt, die es in Santa Cruz gibt: Beim Mc Donalds (bitte nicht weitersagen). Da wir bis zur nchsten Mahlzeit nicht so recht Hunger verspren, verschenken wir unser Essen bolivianischen Soldaten an der Grenze. Die sind uns unendlich dankbar. Susanne wollte eigentlich und fr sie typisch damit die ausgemergelten Hunde fttern, aber ich intervenierte mit der Begrndung: Es sei etwas piettlos vor vielleicht nicht so gut verpflegten Menschen zuerst die Hunde zu bercksichtigen. Sie beugt sich meinem Einwand und wir machen wie gesagt den armen Jungen im Kmpfer eine Freude. Von der zweiten Mahlzeit kann man mindestens das Hhnchen verspeisen. Bolivien scheint sowieso mehr ein Pollo- als ein Beefe-Land zu sein. Die Plastikunterstze mit den Essensresten und das Plastikbesteck werden in schwarzen Abfallscken vom Busbegleiter eingesammelt. Meine Frau sagt: "Der wirft die jetzt gleich zum Fenster hinaus." Ich entgegne: "Das kann nicht sein!" ... Meine Frau hat recht.

Bald sind wir wieder im Chaco. Wir sitzen weit hinten. Wenn man nach vorne schaut sieht es fast so aus, wie wenn sich ein Boot durch starke Meereswogen kmpft. Der Bus wippt auf und ab. Ein starker Wind blst den Strassenstaub bis ber die Seitenfenster hoch. Pltzlich haben wir sogar Staub im Innern des Busses. Die vordere Dachluke wir aufgerissen und ein Seitenfenster auf der Wind abgewendeten Seite wird geffnet. Aber auch das hilft kaum. Auf meinen Brillenglsern bildet sich sofort eine Staubschicht. Dann kommen Wasserpftzen die beweisen, dass es hier vor kurzem geregnet hat. Wenn der Bus mit einem Vorderrad in eine solche Pftze gert, spritzt das Wasser bis zum Fenster hoch, so dass die Hochsee-Illusion perfekt ist. Bald kommt ja die Regenzeit. Da werden nur noch die alten Busse mit Seilwinde eingesetzt. Da kann dann die Ankunft der Fahrt nicht mehr vorausgesagt werden.

Donnerstag um 15 anstatt wie berechneten um 14 Uhr kommen wir auf der Polizeistelle vor Rosaleda an. Maleika erwartet uns. Mit uns kommt Michael, der deutsche Sdamerikareisende. Wir haben ihn eingeladen, um ihm ein bisschen von "unserem" Chaco zu zeigen. Er hat zwar nicht viel Zeit, da er in Buenos Aires verabredet ist, aber er will sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. In den gngigen Reisefhrern und internationalen Guides, vor allem den nordamerikanischen, seht wenig bis gar nichts ber Paraguay, schon gar nicht ber den Chaco. Und das was darin steht ist veraltet, falsch und irrefhrend. Das fhrt dann auch dazu, dass Sdamerikareisende von Bolivien direkt nach Asuncin fahren. Zudem wird von den Busunternehmen keine Ermssigung gewhrt, wenn jemand zum Beispiel nur nach Filadelfia fhrt.

Wir laden Michael zum Nachtessen im Hotel Suiza ein. Dafr muss er aber ein Exemplar unserer ersten Zeitungsausgabe kaufen. Wir zeigen Michael Rosaleda by night und am anderen Morgen hoch zu Ross. Dann besuchen wir in Filadelfia den Corral und eine Menno-Familie. Da Michael nebst Chorleiter und Orgelspezialist auch Klavierspieler ist, muss er auch kurz dem Jngsten den Ohrwurm "pour Elise" beibringen. Er ist bald Mittelpunkt der ganzen Familie und wir haben viel Spass. Bald schon ist die Zeit gekommen, wo er sich auf den Nachtbus nach Asuncin sputen muss. Es bleibt noch Zeit, um einige Notizen zu machen. Michael schreibt auch seine Eindrcke an bekannte Guides und mchte bald ein eigenes Reisebuch herausgeben. Ich batte ihn noch, uns eine Geschichte zu schicken, damit wir sie in unserer Rosaleda-Zeitung verffentlichen knnen. Wir verabschieden uns herzlich. Es war eine tolle Begegnung.

P.S.: Rund eine Woche nach unserem Ausflug wurde der Bolivienbus 100 Km nach Santa Cruz berfallen. Die Banditen waren in Militruniform gekleidet und gaben sich als Drogenpolizei aus. Sie lotsten den Bus in eine Seitenstrasse, raubten die Reisenden aus, zerschossen die Pneus und verschwanden spurlos.

Die Gegend zwischen Santa Cruz und Asuncin ist extrem karg besiedelt. Es ist auch schwer vorzustellen, dass um dieses Gebiet im sog. Chacokrieg so heftig gekmpft wurde, dass auf bolivianischer Seite 65'000 und auf paraguayischer Seite 36'000 Tote zu beklagen waren. Der Chacokrieg wird als kapitalistische Auseinandersetzung interpretiert. "Royal Dutch" gegen "Standard Oil". Die beiden grossen Erdlkonzerne htten die kriegfhrenden Lnder aufeinander gehetzt, um sich das im Chaco vermutete l zu sichern.

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